9. Tag in Santos, ich wollte schon längst hier wieder was schreiben, doch das ist kaum möglich, da es ein straffes Programm gibt. Ich versuche mal, die letzten Tage zusammenzufassen. Nach dem Besuch der Ilha Grande ging es nach Paraty und von da aus zwei Tage später nach Sao Paulo. Die Stadt gefällt mir vom ersten Eindruck her besser und ich werde nach dem Programm wieder da hinfahren und sie noch besser kennenlernen 🙂
Das Programm „Warriors without Weapons“ ist am 2.7. gestartet, mit dem Bus ging es nach Santos und mit Uber zu unserer Unterkunft. Seitdem bin ich hier und habe jeden Tag Programm (6:30 aufstehen, 7:00 Frühstück, 7:50 große Morgenrunde, 8:00 Start, dann unterschiedliche Aktivitäten mit Mittags- und Kaffeepause, 19:30 Abendbrot, 20:30 bis 22:00 Programm,… schlafen). Wir sind 41 Warriors und ca. 20 vom Elos Team. Wir wohnen alle zusammen unter einem Dach, 24/7.
Zum Inhalt und der Philosophie des Programms schreibe ich später mehr, hier erstmal die Eindrücke der letzten Tage…
In den ersten Tagen gab es Kennenlernspiele und Austausch untereinander. Es wurden 7 Gruppen gebildet, jeden Tag übernimmt eine Gruppe eine Aktivität in der Gemeinschaft (Wecken, Abwasch, Hosting, Verschönern, Kompost, Austausch, Ausruhen). Dazu wurden wir einer von 3 Communities zugeordnet.
Wir sind 13 Warriors und 3 Facilitators und fahren mit dem Bus in unsere Community – ab jetzt ist das unsere zweite Heimat. Wir tragen einheitliche gelbe T-Shirts und laufen durch die Straßen. Mit verbundenen Augen erkunden wir am ersten Tag die Gegend, um unvoreingenommen in die neue Umgebung zu starten. Wir befinden uns in Vila dos Pescadores (Dorf der Fischer) und tauchen in die Welt ein, erkunden Pfade, den Hafen, das Zentrum. Tief hinein geht es zwischen engen Gassen über konstruierte Holzplatten und Stege zu den Palafitas. Da, wo der Betonweg aufhört, stehen Häuser bzw. Hütten auf Stelzen mit alten Autoreifen verstärkt, darunter Wasser, Müll, Plastik. Es ist wie ein Labyrinth mit wackligem Boden, mal eine Sackgasse, mal ein Weg, der durch Schlamm führt. Zwischen den Häusern manchmal Müllhaufen oder Hütte an Hütte, Hunde bellen und überall streunen Katzen. Wer sich hier auskennt, kennt die Wege und weiß, wo ein Brett zu wacklig ist, um Einen zu Tragen. Es ist neu, es ist anders… und plötzlich stehst Du wieder auf festem Betonboden neben Häusern.
Die nächsten Tage lernen wir nach und nach Bewohner kennen, unterhalten uns, tasten uns langsam voran. Es gibt verschiedene Aufgaben, paarweise bewegen wir uns durch die Community und fragen die Bewohner nach ihrem Leben, später nach ihren Talenten und heute nach ihren Träumen. Gestern gab es eine Talentshow für die Bewohner, ca. 80 Menschen sind zusammengekommen, abwechselnd tanzen Kinder Ballett, rappen und führen Gymnastik vor.
Ein alter Mann spielt Akkordeon, eine Frau Gitarre, ein Fischer erzählt seine Geschichte. Es ist bunt, die Lichter erleuchten die Bühne. Es ist nass und kalt, doch der Hafen erfüllt von Lachen und Klatschen. Wir stellen uns kurz vor und tanzen zum Abschluss mit den Kindern. Die Show wurde innerhalb weniger Stunden auf die Beine gestellt, ich hatte nicht erwartet, dass alles so klappt.
Was alles so geschah die letzten Tage kann ich hier gar nicht wiedergeben, ich komme weder dazu, mein Tagebuch noch meinen Freunden so zu schreiben, wie ich gern wollte. Der Blog musste auch leiden. Ich bin erschöpft, hätte gerne eine Massage, esse viel zu viel, habe zu wenig Schlaf und momentan friere ich – Winter in Brasilien 🙂 Neben den Tagen in der Community lernen wir in Santos soziale Methoden kennen, beschäftigen uns mit Fragen zu Empowerment und Ungleichheit, führen Gespräche, setzen uns mit der Elos Philosophie auseinander (wie gesagt, dazu später mehr), führen Gruppenaktivitäten durch. Dazwischen gibt es Tage zu den vier Elementen (Erde, Wasser, Luft, Feuer) – dazu auch später mehr. Ich könnte einen Roman schreiben, doch erstmal beende ich diesen Beitrag 🙂
Hi Sandra,
Wie schön, wieder von Dir zu lesen Ganz schön krass so ein straffes Programm! Kann man auf Dauer so viel überhaupt aufnehmen und verarbeiten? Ich hoffe euer Engagement und die Arbeit mit den Bewohnern gibt euch wieder vieles zurück. Die Talente Show klingt super! War bestimmt ganz toll. Deine Bilder hier kann man nicht vergrößern, oder?
Ich kann mir gut vorstellen wie erschöpft du nach so einem langen Tag mit Input aufnehmen, Arbeit, spielen, Geben etc sein musst. Vielleicht habt ihr warriors ja Lust, euch gegenseitig zu massieren!
Ich wünsche dir noch eine tolle Zeit mit dem Programm! Die Hälfte ist ja fast schon rum.
Fühl dich von mir umarmt und gewärmt,
Alexia