Hallo hallo und frohe Ostern aus der Ferne! Mich gibt es noch und ich stelle mit Entsetzen fest, dass ich den Blog ganz schön vernachlässigt habe…
Nach meinen letzten Reisetagen in Copan in Honduras mit Maya Skulpturen, einem Kurzbesuch im Kindermuseum (super interaktiv und empfehlenswert, aber leider hatte ich zu wenig Zeit, um es anzuschauen), einem Megastau in und vor Guatemala City, einem letzten Tag mit Abdul in Antigua mit Besuch im Schokomuseum und einem Cuba Libre in einer Bar bin ich also jetzt allein unterwegs und momentan wohnhaft in Momostenango in einer Gastfamilie mit eigenem Zimmer und Bad und mehr oder weniger regelmäßigem Wasser.
Im Haus leben noch zwei Voluntäre für andere Organisationen, die ich aber nie zu Gesicht bekomme. Hier ist es leider wieder kalt und in einem Zimmer auch, da ich kein Fenster nach draußen, sondern nur zum Flur besitze. Das Haus ist aber super schön, groß, ich habe die gesamte untere Etage für mich mit Küche, Mikrowelle, einer Waschmaschine und sogar Internet. Nach einer Flohattacke im Zimmer und Waschen der gesamten Wäsche bin ich jetzt (schon wieder) erkältet, aber beides ist wohl nicht wünschenswert, doch geht vorüber 🙂
Momostenango (kurz: Momos) ist vergleichsweise klein und liegt hoch in den Bergen, ca. 1 1/2 Stunde mit dem Chickenbus von Xela entfernt, mit dem Auto 40 Minuten. Im Zentrum ist ein Park mit antiken Häusern herum, einem Kulturzentrum mit einer Bibliothek, Informationen zur Geschichte und Kultur, Computersäle und regelmäßigen Aktivitäten. Im Ort gibt es mehrere Comedore, wenige „Restaurants“, mehr Internetcafés und Fotokopieläden als sonst etwas, Tiendas, einen Markt… und man kann sich schlecht verlaufen, da es mit einer Hauptstraße doch übersichtlich ist. In der Nähe gibt es Agua Caliente, die ich noch besuchen will. Die Los Riscos (natürliche Steinformationen) habe ich schon besucht.
Ich arbeite in Chocantary als Voluntär in der Schule und lehre Englisch in der vierten, fünften und sechsten Klasse: A und B, also 6 Klassen täglich je eine halbe bis dreiviertel Stunde von 8:00 bis 1:00, fahre morgens halb 8 mit dem Mikrobus zusammen mit den anderen Lehrern zur Schule und gehe in die Klassen. Wir lernen Farben und Tiere und die Famile und Verben und und und… Ich werde umringt von den Kindern, mir werden Fragen gestellt und es ist schwer, zwischendrin mal eine Pause zu haben. Es ist aufregend und spannend und anstrengend und so anders, ich tauche ein in die Kultur und bin die einzige „Weiße“. Letzte Woche gab es einen Schulcontest mit Singen und Malen: 20 Schulen à 3 Klassen, das waren also 5h, 60 Lieder… Kann man sich vorstellen, wie das war? Interessant, aber auch lange und viele Lieder kamen mehrmals, was am Ende einfach nur noch lustig war. Vornehmlich wird Maya gesprochen – Quiché (K’iche‘) und sonst Spanisch und mehr oder weniger 24h Spanisch sprechen bzw. halbwegs, denn flüssig bin ich lange noch nicht, ist anstrengend für den Kopf 🙂 nachmittags habe ich „frei“, also ich fahre zurück in die Stadt, lerne Spanisch und bereite den Unterricht vor. Jetzt weiß ich mal mehr oder weniger, was es heißt, Lehrer zu sein, auch, wenn es natürlich so ganz anders ist von der Organisation her und nicht zu vergleichen mit deutschen Schulen.
Eine kurze Anmerkung am Rande: Hier bin ich so groß im Durchschnitt, dass ich gefragt werde, die Glühbirne an der Decke einzusetzen 🙂 Und noch eine Anekdote: Es ist ja gemeinhin bekannt, dass sich Elektrizität und Wasser mögen und am besten zu kombinieren sind. Nun ja, in der Dusche jedenfalls funktioniert das so: Du drehst den Wasserhahn auf und legst den Schalter vom Stromkasten daneben um, es rattert und aus dem oberen Teil des Duschkopfes kommen winzig kleine Lila Funken… das Wasser wird tatsächlich heiß, leider zu heiß… Das heißt, Du kannst Dich entscheiden, ob Du es eiskalt oder sauheiß haben möchtest, ein Zwischendrin ist nicht möglich. So viel zum „Wechselduschen“ 😉 Diese Woche habe ich dann auch einen Minischlag im Finger beim Drehen des Hahns bekommen, der war auch noch Tage später spürbar, soviel zu meinem Duscherlebnis… Das war übrigens die Geschichte, als es noch Wasser gab, denn von Donnerstag Mittag bis ca. Samstag Morgen gab es kein Wasser… ich erspare mir die Details, zum Glück gibt es Agua Pura…
Falls ihr mal in Momostenango seid, kann ich das Eckrestaurant „Galera“ empfehlen: für 20q. gibt es sehr leckeres Essen: Chorrizos, Frejoles, Brot mit Knoblauch, eine Kartoffel mit Kräutern, Tortillas und Rosa de Jamaica (Hibskusblütengetränk). Weiterhin sehr gut sind direkt gegenüber für 6Q. die Pupusas der Pupuseria „el Rincon Salvadoreño“ mit Käse oder Fleisch oder Mixta mit allem. Letztens habe ich mich gefragt, ob ich meine „Restaurants“ nach Abendprogramm aussuchen sollte, denn auch wenn ich immer die einzige bin, die allein is(s)t, gibt es überall TV und je nachdem, wo Du bist, natürlich auch ein anderes Programm mit mostly Telenovelas – ein Traum!!! Achja, wenn Du zum Bäcker gehst und nach ungesüßtem Brot fragst, bekommst Du eine bescheidene Auswahl: fast alle, wie soll ich es nennen, brötchenähnliche Teile sind süß, auch, wenn sie zum Beispiel mit Frejoles oder Käse gefüllt sind…
An den Wochenden fahre ich nach Xela, da es manchmal und gerade am Wochenende einsam in Momos ist. Da wir beim Thema Bus sind: Falls ich es noch nicht erwähnt habe, in die Busse kommen immer wieder Menschen und verkaufen Obst, Essen, Süßigkeiten und auch Vertriebspersonen sind immer wieder anzutreffen, die einen mehr oder weniger langen Vortrag halten und ihr Produkt präsentieren, man sollte sie zu Vorträgen einladen. Achja, Bettler steigen natürlich auch immer wieder dazu… Bislang habe ich noch keine schlechten Erfahrungen gemacht, ich erwähne nur kurz, dass einmal ein Bus mit meinem Gepäck auf dem Dach einfach mal losgefahren ist… Nachdem ich ausgestiegen bin. Ich bin also losgerannt, habe dem Mann das Problem zu verstehen gegeben, aber der Bus hat nicht angehalten. Zum Glück ist Alex, ein Guatemalteke, der neben mir im Bus saß, losgesprintet… und kam tatsächlich mit meinem Backpack wieder. Wow! Glück gehabt 🙂
Achja, diese Woche hatte ich von Mittwoch an frei und mich nach Antigua zur Semana Santa gewagt! Was für ein Erlebnis! Nirgendwo in Guatemala gibt es so viele Prozessionen wie hier und der Ort wird zum Mekka, die Hotels sind ausgebucht und die Stadt voll mit Menschen. Auf dem Weg dahin im Bus gequetscht in der Fahrertür ging es los, zu einer Gastfamilie, die Bekannte von Bekannten aus Momos sind.
Ich habe mich hineingewagt ins Erlebnis Ostern mit Abertausenden von Menschen aus Guatemala und aller Welt: habe Prozessionen mit riesigen Barren mit Jesusstatuen und Maria vom Leidensweg bis kurz vor der Auferstehung gesehen, Emotionen erlebt, eine andere Kultur erfahren und an einem anderen Ostern teilgenommen. Paukenschläge haben mich zusammenzucken lassen, Alfombras (riesige Teppiche aus bunten Sägespänen mit Blüten, Obst, Gemüse, Verzierungen, Kerzen… auf den Straßen) mich fasziniert, die Massen manchmal genervt, meine Tasche 24h vor Dieben geschützt; bin Umwege gelaufen, weil die Straßen verstopft waren, konnte mich nicht satt sehen an den lila oder schwarzen Kutten, weißen Kleidern, musste vom Weihrauch husten und habe ca. 200 Photos geschossen.
Kurz zur Prozession, und es gab viele!: An jeder Prozession nehmen Tausende teil und sie gehen für viele Stunden. Du siehst Römer auf Pferden und zu Fuß, Menschen mit dem Kreuz durch die Straße laufen und viele viele lila Kutten. Die riesigen Barren mit den Statuen werden getragen und an jeder Ecke tauschen sich die Träger der Barre aus. Bei der Prozession am Freitag zum Tod Jesu wurde schwarz getragen und 90 Männer haben die Jesusbarre und 50 Frauen die Mariabarre getragen. Nur die Männer mit der Jesusbarre dürfen als erstes über den Alfombra laufen. Danach dürfen auch alle anderen und somit bekommen die Frauen und Mädchen mit Maria immer nur die Reste vom Teppich.
Ich bin auch mal hinterher mitgelaufen über den zertretenen Teppich, hier hatte man auch mehr Freiraum, als auf den Fußwegen. Die Menschen nehmen dann auch alles mit, was noch verwertbar ist vom Teppich: Blumen, Kerzen, Figuren… Direkt nach der Barre kommen die Musiker und dann direkt unmittelbar hinterher die Klimperlicht- und sonstigen Kram verkaufenden Menschen. Dann kommen auch sofort die Kehrmaschienen und Aufräumhelfer und binnen wenigen Minuten ist alles sauber und vom Spektakel nix mehr übrig. Dann hast Du auch wieder klare Sicht, denn keiner steht vor Dir und statt Musik hörst du Autos, die Straße ist wieder offen. Wenn du also nicht rechtzeitig da warst und nichts mehr von der Prozession siehst, heißt das nicht, dass sie nicht stattgefunden hat…
Jetzt bin ich auch wieder in Xela und Reise gleich wieder ab, nach Momos. Morgen geht die Schule wieder los!